Kinderfamilien und das Thema Heirat

18 Jan Kinderfamilien und das Thema Heirat

Mittwoch, 17. Januar 2018
„Über die soziale Struktur des Landes habe ich bereits berichtet. (Siehe Bericht vom 13. Januar 2018)
Wie schwer muss es besonders für alleinlebende Kinder sein, ins das Leben und den Lebensalltag hineinzufinden. Nicht nur, was den täglichen Bedarf, Schule und Ausbildung betrifft. Es geht dabei auch um die Frage der sozialen Stellung. Kinder ohne Eltern sind in ihrer Sozialisation benachteiligt. Dies zeigt sich vor allem bei der Suche nach einem geeigneten Ehemann, einer geeigneten Ehefrau. Bei der Heirat wird nicht zuallererst auf das gute Aussehen und die Manieren der zukünftigen Ehefrau bzw. des zukünftigen Ehemannes geschaut. In erster Line achtet man bei der Auswahl auf einen guten Familienhintergrund. Sind die Eltern in der Lage gewesen dem Kind eine gute Schul- und Berufsausbildung zu finanzieren? Kann die zukünftige Ehefrau gut kochen? Hat sie gelernt zu waschen und zu putzen? Kennt sie die „Alltagstricks“ der Alten? Und so weiter … (es ist hier halt alles noch sehr traditionell).
Kinder, die ohne Eltern aufgewachsen sind, können diese gesellschaftlichen Kriterien nur schwer erfüllen. Wie schön, wenn dennoch hin und wieder einzelne junge Frauen oder junge Männer unserer Kinderfamilien heiraten. In wenigen Wochen steht wieder eine solche Hochzeit an.
In Kirarambogo wurden wir heute mit dem Thema Heirat vielfältig konfrontiert. Als wir gemeinsam mit einem Düsseldorfer Unternehmen das Projekt Kinderfamilien in Kirarambogo vor vier Jahren initiiert haben, trafen wir bei der Bedarfsanalyse auf über 100 Familien, die die Kriterien zur Aufnahme in das Projekt erfüllt haben. Das zur Verfügung stehende Finanzvolumen ließ es zu, 48 Kinderfamilien in das Projekt aufnehmen zu können. Alle dieses 48 Kinderfamilien befinden sich auch heute noch im Projekt, doch erleben wir glücklicherweise immer wieder, dass einzelne Haushaltsvorstände (vor allem die jungen Frauen) heiraten. Das heißt dann automatisch, in das Haus des Ehemannes ziehen (er wohnt in der Regel nicht im selben Dorf, in der selben Pfarrei) und die jüngeren Geschwisterkinder alleine zurücklassen.
Hin und wieder findet einer der jungen Männer einen guten Job in einer anderen Gemeinde. Auch dann heißt es für diesen Haushaltsvorsteher, die Geschwisterkinder alleine zurücklassen und die (einmalige) Gelegenheit zum Einstieg in das Berufsleben zu ergreifen.
Unsere Sozialarbeiter der Caritas haben in solchen Fällen große Mühen, den neuen Haushaltsvorstand (das nächst ältere Geschwisterkind) fit zu machen.
Jeremy Ikimana ist der Sprecher der 48 Kinderfamilien in Kirarambogo. Mit seinen 22 Jahren trägt er die Verantwortung für sich selbst und sechs weitere Geschwister. Stellvertretend für alle anwesenden Haushaltsvorstände sagt er uns: „Ihr habt uns so viel gegeben. Niemals werden wir auch nur einen Bruchteil zurückgeben können. Ihr seid unsere Eltern geworden, jene Eltern, die alles für ihre Kinder tun. Bald – wenn wir heiraten – werdet ihr Großeltern werden.“
Die unausgesproche Bitte, die ich darin höre: ‚Lasst uns nicht alleine, sorgt auch weiterhin für uns, unsere Geschwister und zukünftigen Kinder.‘
Mit besten Grüßen aus Rwanda auch von Jo,
Mirco.
P.s. Gleich werden Jo und ich für einige Tage nach Gikore fahren. Dort gab es in den zurückliegenden Jahren (noch) kein Internet. Ob es heute Internet gibt, wissen wir nicht. Macht euch also keine Sorgen um uns, falls ihr in den kommenden Tagen nichts von uns hört. Voraussichtlich wird erst am Sonntagabend der nächsten Bericht erscheinen.“